• Spanish
  • English (UK)
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 10 C 10.12)  hat am 18.4. 2013  in einem Revisionsverfahren, in dem es um den Nachzug einer russischen Rentnerin zu ihrer deutschen Tochter ging, wichtige Azente gesetzt.
1. Das Gericht bestätigt die Auffassung des Oberwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, dass für die Einreise des zuziehenden Ausländers der von § 2 Aufenthaltsgesetz geforderte Krankenversicherungsschutz zunächst durch den Abschluss einer  Reisekrankenversicherung erfüllt ist. Sofern dann in Deutschland keine gesetzliche Pflichtversicherung für den Antragsteller besteht, wie das im entschiedenen Fall die Sachlage war, dann kann/ muss eine private Krankenversicherung, evtl. im Basistarif, abgeschlossen werden. Dafür besteht nach § 193 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VVG ein Anspruch.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bestätigt, dass der  Lebensunterhalt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz) der Nachziehenden  auch durch Verpflichtungserklärungen Dritter gesichert werden kann.
Im entschiedenen Fall hatten die Tochter und der Schwiegersohn der Antragstellerin Verpflichtungserklärungen abgegeben. Das OVG hatte diiese nach Auslegung des konkreten Inhalts im entschiedenen Fall für tauglich erachtet. Das BVerwG stimmte zu.

3. Im entschiedenen Fall handelte es sich bei der russischen Klägerin um eine alte kranke Frau. Die Beklagte hatte vorgetragen, dass man von ihren deutschen Kindern zwar nicht verlange, dass diese nach Russland ziehen, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Jedoch könne man dort Pflegekräfte bezahlen, um die Mutter pflegen zu lassen.
Das OVG hatte über diese Frage noch nicht entschieden.
Das BVerwG gab diesbezüglich vor, dass kulturelle Eigenheiten zu berücksichtigen sind. Geborgenheit älterer Menschen in der Familie, bei vertrauten Personen, spiele in vielen Kulturen eine ganz erhebliche Rolle. Das gilt es zu bedenken.

Sowohl die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Berufungsentscheidung, OVG 2 B 10.11) als auch die jüngste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Revisionsentscheidung) setzen für die Fragen des Nachzugs - namentlich älterer Ausländer - wichtige Akzente.
Die Fälle, dass ältere Ausländer pflegebedürftig werden und dann zu ihren in Deutschland lebenden Kindern ziehen möchten, sind nicht eben selten. Wir haben schon viele Fälle dieser Art juristisch begleitet.




Nach §§ 28 Abs. 4, 36 Aufenthaltsgesetz  können ausländische Eltern zu deutschen Kindern nachziehen. Es müssen dafür die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegeben sein, u.a. muss der Nachziehende krankenversichert sein (§ 2 Abs. 3  Aufenthaltsgesetz). Unproblematisch ist es für den Nachziehenden, eine Auslandsreisekrankenversicherung abzuschließen. Die ist auch nicht teuer. Dieser Vertrag sichert jedoch keine Versicherung für einen längeren Zeitraum und erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AufenthG nicht. Hier lag bisher das Problem.
Denn eine gesetzliche Pflichtversicherung kommt für diese Personengruppe nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des SGB V sind nicht erfüllt. § 5 Abs. 11 SGB V steht dagegen. Auch die Familienversicherung (als kostenfreie Mitversicherung) greift hier nicht.
Das  Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG 2 B 10.11) hat  nun einen gangbaren Weg gewiesen.
Im entschiedenen Fall begehrte eine russische Staatsangehörige von 74 Jahren den Nachzug zu ihrer in Deutschland lebenden Tochter, die die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Der Antrag auf Erteilung eines Visums war u.a. wegen mangelnden Krankenversicherungsschutzes abgelehnt worden. Das Gericht hat nun entschieden, dass eine befristete Reisekrankenversicherung bis zur Einreise und für die erste Zeit ausreicht. Denn wenn die Ausländerin in Deutschland ist, hat sie nach § 193 Abs. 5 S.1 Nr. 2 VVG  einen Anspruch auf Versicherung nach dem Basistarif gegenüber privaten Krankenversicherungsunternehmen. Damit besteht dann ein angemessener Krankenversicherungsschutz.
Damit ist eine wichtige Voraussetzung für den Nachzug dieser Personengruppe geschaffen.
Ehen mit Ausländerbeteiligung beruhen häufig auf einer sehr kurzen Phase des Kennenlernens. Nachdem der ausländische Ehepartner dann in Deutschland ist und die Probleme des täglichen Zusammenlebens zu bewältigen sind, wobei dann häufig auch kulturelle Differenzen auftreten,  kommt es nicht selten zur baldigen Trennung. Nach unserer Erfahrung kann das schon nach einer oder wenigen Wochen geschehen. Dann entsteht häufig der Wunsch nach möglichst baldiger Scheidung.
Unsere Mandantschaft unterliegt häufig dem Irrglauben, eine kurze Zeit des Zusammenlebens macht die gesetzlich vorgeschriebene Mindesttrennungszeit überflüssig.
Grundsätzlich ist es so, dass vor Einreichen des Scheidungsantrags bei Gericht, 1 Jahr Trennungszeit verstrichen sein sollte. Manche Familiengerichte akzeptieren 10 Monate. Erst dann hat der Scheidungsantrag Aussichten auf Erfolg.
Trennung bedeutet freilich nicht, dass ein Ehepartner ausgezogen sein muss. Auch innerhalb einer Wohnung kann man getrennt im Sinne des Gesetzes leben (§ 1567 BGB).

Wer jetzt enttäuscht ist, dem kann mitgeteilt werden, dass es hinsichtlich der Trennungsdauer Ausnahmen gibt !
Zunächst einmal ist eine Scheidung schon nach kurzer Trennungszeit möglich, wenn ein Härtefall vorliegt. D.h., es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, länger mit dem anderen Ehepartner verheiratet zu sein (§ 1565 Abs. 2 BGB). Die Gründe müssen in der Person des anderen Ehegatten liegen. In Betracht kommen z.B. Misshandlungen oder Alkoholmissbrauch. Das sind Fälle, die uns in unserer ausländerrechtlich und familienrechtlich orientierten Arbeit oft begegnen.

Des Weiteren ist die Möglichkeit der Aufhebung der Ehe (§§ 1313 ff. BGB) in Betracht. Die Aufhebung der Ehe ist unabhängig von der Dauer der Trennungszeit möglich. Das Gesetz sieht für die Aufhebung bestimmte Gründe vor, wie z.B. geistige Störung eines Partners bei der Eheschließung (§ 1314 Abs. 2 Nr.1 BGB).
In unserer ausländerrechtlichen Praxis ist vor allem § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB von Bedeutung:
"wenn... ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage...".
Dazu können - je nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falles - solche Fälle gehören, in denen dem in Deutschland lebenden Partner vorgegaukelt wird, man wolle mit diesem in ehelicher Gemeinschaft leben, während man nur ein Visum bzw. eine Aufenthaltserlaubnis erlangen will.
Im Moment betreuen wird gerade drei solcher Fälle, in denen  jeweils ein Ehegatte aus Afrika mit Heiratsvisum zugezogen ist und es schon nach kurzer Zeit zur Trennung kam.
Wegen des Zusammenspiels von Ausländerrecht und Familienrecht verlangen diese Fälle i.d.R nach einem Spezialisten. Denn fast immer spielt das Interesse, in Deutschland zu bleiben, eine ganz erhebliche Rolle und beeinflusst das Verhalten bezüglich der Ehe bzw. Trennung sowie des Vortrags im Gerichtsverfahren. Ohne Kenntnis und Erfahrung im Ausländerrecht kann die Scheidung oder Aufhebung der Ehe ungewollte Folgen haben.
Seit 2008 erlaubt das BGB (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB) den zuständigen  Behörden (in Berlin die Bezirksämter) unter definierten Umständen die Anfechtung der Vaterschaft. Davon haben die Behörden vielfach Gebrauch gemacht. Wir vertreten in zahlreichen  Verfahren die Anfechtungsgegner.
In fast allen Fällen hängt die Erteilung oder die Aufrechterhaltung der Aufenthaltserlaubnis unserer Mandanten vom Ausgang der Verfahren ab. Die anhängigen Anfechtungsverfahren führen bei der Bearbeitung der Anträge auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu erheblichen Verzögerungen. In der Regel sollen die Anträge bei Vorliegen der Unterlagen nach etwa 3 Monaten beschieden sein. Jedenfalls ist dann die sog. Untätigkeitsklage zulässig.
Solange jedoch die Anfechtungsverfahren nicht beendet sind, werden die Erteilungsverfahren i.d.R. ausgesetzt. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (29 K 96.11)  ist das rechtens für die Antragsverfahren bezüglich § 28 Aufenthaltsgesetz und auch § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz.

Nach einem 9 Jahre (!) andauernden Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht Schwerin (8 A 3007/02) das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schließlich verpflichtet, festzustellen, dass bei einer Frau aus Algerien (Klägerin) ein Abschiebungshindernis vorliegt.
Die Frau war 2002 mit einem Schengenvisum nach Deutschland gekommen. Der nach 3 Monaten gestellte Asylantrag wurde abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage hatte schließlich Erfolg.
Die Frau litt an einer Autoimmunerkrankung. Nach der dem Gericht vorgelegten ärztlichen Stellungnahme war eine intensivmedizinische und medikamentöse Behandlung erforderlich. Diese Behandlung war in Algerien nicht gewährleistet. Dort sei eine kostenlose medizinische Behandlung lediglich auf niedrigem Niveau sichergestellt. Außerdem gebe es Probleme mit der Versorgung mit Medikamenten.
Für das Gericht stand fest, dass die Klägerin eine adäquate medizinische Versorgung in Algerien nicht  erreichen konnte. Das Bundesamt wurde deshalb verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz bezüglich der DRV Algerien vorliegen.

Copyright © 2019 Kanzlei Dr. Paul. Alle Rechte vorbehalten.

Dr. Thomas Paul - Amendestraße 7 - 13409 Berlin
Telefon: +49 (0) 30 - 617 483 39
Telefax: +49 (0) 30 - 617 483 40
Impressum | Datenschutz | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Weitere Informationen Ok